Party: Was fördern wir da eigentlich? Etablierte Kultur im Abstiegskampf. - Eine Veranstaltung des Gesprächskreises Kultur der Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Im Frühjahr 2012 tobte der „Kulturinfarkt“ durch die deutschen Feuilletons und rüttelte Kulturschaffende und Politiker auf. Nach Ansicht der Autoren Armin Klein, Pius Knüsel, Stephan Opitz und Dieter Haselbach ist die öffentlich geförderte Kulturlandschaft in der gewohnten Form nicht mehr sinnvoll. Deutsche Kulturpolitik, so Klein, ist viel zu sehr vom Angebot her gedacht, viel zu wenig von der Nachfrage. Für die Autoren gibt es von allem zu viel und überall das Gleiche. Das Credo der Neuen Kulturpolitik, „Kultur für alle“, hat für sie ausgedient. „Die Institutionen haben ihre maximale Reichweite erreicht - zehn Prozent der Bevölkerung.“ Ihr Vorschlag: Subventionen sollen neu verteilt werden. Statt sachlicher Debatte folgte ein medialer Aufschrei. Eine Reaktion, die dem bekannten Muster kulturpolitischer Hiobsbotschaften folgte. Auf inzwischen regelmäßig zu hörende Nachrichten von Theaterschließungen, Orchesterfusionen oder eklatanten Finanzproblemen kultureller Institutionen folgt reflexhaft der Ruf nach ihrem Erhalt. Als unhinterfragbare Pastorale wird die „deutsche Kulturlandschaft“ beschworen, in ängstlicher Abwehr potentieller weiterer Kürzungen. Parallel aber entwickelt sich ein Diskurs, der Kriterien und Konzepte deutscher Kulturpolitik in Frage stellt. Vor dem Hintergrund knapper Kassen, demografischem Wandel und einer sich wandelnden Gesellschaft (z.B. Digitalisierung, Einwanderung, Arbeitsbegriff) stellt sich die Frage, ob nicht Strukturveränderungen im Kulturbetrieb unvermeidbar sind? Welchen Werten und Definitionen folgt die gegenwärtige Kulturförderung und der bestehende Kulturbetrieb? Kann der reine Erhalt z.B. der Theaterlandschaft noch das Ziel sein? Haben sich nicht längst neue Formen kultureller Ausdrucksweisen entwickelt, die im etablierten Kulturbetrieb gar nicht oder nur am Rande vorkommen? In welchem Verhältnis steht die sog. institutionelle Kultur zur „Freien Szene“? Entspricht die Form des traditionellen Stadttheaters noch den Bedürfnissen der Menschen, die in dieser Stadt leben? Ist ihr „Bildungsauftrag“ noch der gleiche wie vor 50 Jahren? Ist das Modell Stadttheater für aktuelle Formen künstlerischen Arbeitens ein Auslaufmodell? Wer drückt sich hier künstlerisch aus und wer ist eigentlich der Adressat dieses Ausdruckes? Wie kann staatliche Förderung auf diese Fragestellungen reagieren? Wie kann die Balance zwischen Infragestellung traditioneller Förderstrukturen und einem tatsächlichen Verlust von kulturellen Angeboten gehalten werden?
Gemeinsam mit den ReferentInnen sollen etablierte Strukturen hinterfragt und neue Ideen entwickelt werden – im Spannungsfeld zwischen kulturellem Kahlschlag und postbürgerlicher Utopie.
Es diskutieren:
André Bücker; Regisseur und Intendant des Anhaltischen Theaters Dessau;
Elisa Müller, Koalition der Freien Szene
Dieter Haselbach, Soziologe und Mitautor des Buches "Der Kulturinfarkt"